Spiel mit der Beute
Erwachsene Wildkatzen und verwilderte Hauskatzen spielen nicht mit ihrem Essen. Sie fangen je nach Größe etwa 3-20 Beutetiere pro Tag, töten und verspeisen sie. Durch die häufigen Jagderfolge wird ihre Motivation zum Fangen und Töten auf einem normalen Niveau gehalten. Gut versorgte und kastrierte Hauskatzen haben deutlich mehr Zeit, auch für ein Spiel mit der Beute.
Die meisten Hauskatzen sind so selten bei der Jagd erfolgreich, dass sie im Falle eines Fanges die nun aufgestaute Spannung abreagieren müssen. Viele Katzen führen daher eine Art Freudentanz mit ihrer Beute auf, ein Erleichterungsspiel, das umso heftiger ausfällt, je gefährlicher und seltener die Beute ist. Viele Katzen spielen in Haus oder Wohnung sehr ausgelassen mit lebenden wie toten Beutetieren.
Nicht immer Essen
Und obwohl die meisten Katzen gute Jäger werden, unabhängig von den Erfahrungen, die sie in ihren ersten Lebensmonaten mit Beutetieren gemacht haben, töten und fressen manche Hauskatzen keine Tiere. Wahrscheinlich ist ein erst sehr später Umgang mit ihnen und jahrelange ausschließliche Fütterung durch den Menschen der Grund für diese "Ignoranz" der in der Regel auch noch recht satten Katzen, sie erkennt die Beute schlichtweg nicht als Nahrung.
Das Spiel mit der noch lebenden Beute spiegelt also keine Bösartigkeit der Katze wider, sondern eher ein Aufeinandertreffen von lebenswichtigen angeborenen Bedürfnissen mit domestikations- und haltungsbedingtem Wohlstand.
Angst, Furcht, Stress
Angst und Furcht sind allgemein sehr hilfreiche Emotionen, die damit verbundenen Reaktionen wie Abwehr oder Flucht bewahren die Katze vor Schaden. Gelegentlich entwickeln Katzen jedoch Aversionen oder Phobien vor eigentlich harmlosen Ereignissen oder Lebewesen oder Objekten, die sich wie bei Menschen hartnäckig halten und unnötigen Stress verursachen.
Real oder subjektiv
In vielen Situationen ist Angst i.w.S. lebenswichtig. Denn Hauskatzen gehören zwar zu den so genannten Raubtieren und damit zu potenziell gefährlichen Tieren, sind aber durch ihre vergleichsweise geringe Körpergröße auch selbst gefährdet. Sie können von größeren Beutegreifern angegriffen, verletzt oder getötet werden. Oder sie laufen Gefahr, z.B. übersehen und "über den Haufen gerannt" zu werden, ein ebenfalls äußerst unangenehmes Ereignis.
Oft genug kann man jedoch auch völlig "haltlose" Angst- und Stressreaktionen beobachten, die von der Katze nur subjektiv als Bedrohungen und so genannten Stressoren (Faktoren, die Stress auslösen) empfunden werden. Häufige Ursache sind fehlende Erfahrungen in der Jugend (Prägung und Sozialisation), seltener sind es schlechte Erfahrungen, im Extremfall traumatische Erlebnisse.
Die Folgen
Angst und Stress belasten nicht nur die Psyche der Katze (und oft genug auch den der sorgenden Menschen), sondern ihren gesamten Organismus, viele Katzen entwickeln psychosomatische Erkrankungen z.B. von Blase und Niere. Der Katzenforscher John Bradshaw beschreibt in seinem Buch "Cat Sense" (Penguin Books), dass bei 2/3 der Katzen, die wegen Unsauberkeit in Tierarztpraxen vorgestellt wurden, die so genannte idiopathische Cystitis diagnostiziert wurde, eine Blasenentzündung, für die keine organische Ursache vorliegt, sondern "lediglich" eine psychische, meist Stress!
Direkt beobachtbare Reaktionen sind Flucht, das Meiden bestimmter Orte oder Nähe zu (bestimmten) Lebewesen. Viele Äußerungen, die mit Angst verbunden sind, werden als "Bösartigkeit" bzw. als Aggression interpretiert, dies sine z.B. Fauchen, Knurren (bei größerem Abstand) und Abwehr mit Pfotenschlägen, seltener Beißen. Auch viele Angriffe sind angstmotiviert, wenn sich das aggressive Vorgehen schon als wirksame Strategie erwiesen hat, um den "Gegner" auf Abstand zu halten oder zum Gehen zu veranlassen.
Angst, Furcht, Stress, Phobien und Panik, aber schon Unsicherheit, haben komplexe Hintergründe. Vor einer Therapie sollte nicht nur möglichst die Ursache festgestellt werden, sondern auch sämtliche Begleitumstände, damit das Problemverhalten effektiv behandelt werden kann.
Die Vorbereitungen auf solche Veränderungen sowie gleichzeitig stattfindende Maßnahmen sollten daher im Zweifelsfall individuell auf jede Katze und Situation zugeschnitten werden. Ich helfe Ihnen gerne.
Wenn ein Ereignis ansteht, das bei der Katze voraussichtlich Angst und Schrecken auslöst oder sie stark verunsichern wird, ist es sehr sinnvoll, diesen Krisen vorzubeugen.
Aggression
Beim Thema Hauskatzen denkt wohl kaum jemand an Aggression, obwohl jeder weiß, dass die kleinen Samtpfoten auch kratzen und beißen können. Die "Ziele" können Artgenossen sein, aber auch Menschen und Hunde. Die Hintergründe für diese Verhaltensmuster sind vielfältig, aber Bösartigkeit zählt nicht dazu.
Aggressive Reaktionen zählen zum natürlichen Verhaltensrepertoire auch von Hauskatzen. Sie werden eingesetzt, um Auseinandersetzungen zu gewinnen, ob mit Artgenossen, Hunden oder Menschen. Nur bei der Spielaggression kann man davon ausgehen, dass der "Streit" selbst das Ziel ist, nämlich eine katzentypische Beschäftigung, die i.w.S. ihrem Überleben dient und kurzfristig dazu, Energie loszuwerden.
Was ist Aggression?
Es gibt viele Konzepte, diese Verhaltensweisen einzuteilen. Man unterscheidet z.B. die selbsterklärende Beuteaggression und die verwandten und nicht leicht voneinander abgrenzbaren Spiel- und Jagdaggressionen. Die meisten anderen Aggressionsarten helfen i.d.R. Platz zu gewinnen, zwischen sich und einem Feind – auch, wenn der nur in Katzenaugen einer ist. Das ist bei territorialen und anderen ressourcenbedingten Aggressionen der Fall. Wichtige Ressource ist selten Futter, sondern neben Haus und Hof bzw. Territorium sind es meistens Kratzbaum und Sozialpartner Mensch.
Bei Aggression von Katzen ist sehr oft – zumindest teilweise – Angst beteiligt, v.a. bei Verteidigung sind Angst bzw. Furcht (mit konkretem Auslöser), die vorherrschende Emotion.
Wie sollten wir reagieren?
Strafen und schon das Schimpfen einer aggressiven Katze ist deshalb in vielen Fällen nicht hilfreich, vielmehr verschlechtert sich die Situation schnell und deutlich – die Katze wehrt sich immer heftiger und die Harmonie rückt in immer weitere Ferne. Strafen haben außerdem den großen Nachteil, dass die Katze sie in den seltensten Fällen mit ihrem Verhalten verknüpft, sondern vielmehr meistens mit dem "Gegner" und dem strafenden Menschen; dadurch verschlechtert sich die Beziehung noch mehr, meistens zu beiden, und damit das Problem.
Hilfreiche Therapien bauen daher auf einer Analyse der aggressiven Verhaltensweisen und ihrer Funktion auf. Wirksame Maßnahmen zielen dann meist auf eine Verbesserung der Beziehung der Katze zum "Opfer" und, wenn möglich, auf das Training alternativer Verhaltensweisen oder alternativer "Ziele" wie bei den Spiel- und Beschäftigungstherapien. In jedem Fall setzt man Managementmaßnahmen ein, um Angriffe zu verhindern oder die gefühlte Notwendigkeit der Katze, sich verteidigen zu müssen. Das ist die wichtigste Voraussetzung, damit die Katze umlernen kann.
Ich helfe Ihnen gerne, eine geeignete Therapie zu finden und umzusetzen.
Unverträglichkeit mit Artgenossen
Hauskatzen sind in der Lage, friedlich miteinander zu leben und sogar derart gute Freunde zu sein, dass sie lange trauern, nachdem sie ihren Lebenspartner verloren haben. Leider kenne ich bei Katzen auch völlig entgegengesetzte Einstellungen: sie bekämpfen sich bis aufs Blut, wenn sie sich nicht aus dem Weg gehen können.
Störanfällige Beziehungen
Hintergrund dieser sehr unterschiedlichen Katze–Katze-Beziehungen ist v.a. Vertrauen in die Friedlichkeit des anderen. Katzen können großes Zutrauen aufbauen, wenn sie zueinander passen, die gleichen Vorstellungen von einem guten Spiel haben und das Bedürfnis des anderen nach Ruhe respektieren. Aber das Sozialverhalten von Hauskatzen ist noch nicht so ausgereift wie das von Hunden, Pferden und anderen gruppenlebenden Tieren.
Es gibt Katzen, die sich nicht mit ihresgleichen vertragen, denen es nicht leicht fällt, eine neue Mitbewohnerin zu akzeptieren. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass der Start in eine Katzen-WG unter keinem guten Stern steht. Wenn die Neue z.B. vor lauten Geräuschen oder vielen Menschen, die für sie ungewohnt sind, flieht – und von der "Alten" verfolgt wird. Und je häufiger das geschieht, desto schlechter stehen die Chancen für eine gute Beziehung. Allerdings ist bei Katzen der erste Eindruck enorm wichtig oder sogar entscheidend, der Start sollte also möglichst positiv verlaufen.
Achtung: Probleme zwischen Katzen werden nicht mit Strafen gelöst! Also nicht schimpfen, keine Blumenspritze oder andere negativen Einflüsse, v.a. nicht während der Zusammenführung!
Schock und Vertrauensbruch
Weil ihr Sozialverhalten noch in den Kinderschuhen steckt, kann sich eine Beziehung zwischen zwei Katzen auch so zerbrechlich erweisen, dass eine unangenehme Erfahrung sie deutlich belastet. Manchmal reicht ein einziges schockierendes Erlebnis aus, das Vertrauen in die bisherige Freundin von jetzt auf gleich zu zerstören. Das kann ein fremder Hund zu Besuch sein oder ein anderer Stressor, der eine der Katzen zutiefst erschreckt. Sie ergreift mit gesträubtem Fell die Flucht, rennt zufällig auf die Mitbewohnerin zu, die sich ihrerseits attackiert fühlt und gegen die vermeintliche Angreiferin wehrt. Das wiederum schockiert die Fliehende und schon prügeln sich beide, dass die Fellbüschel fliegen. Das habe ich bei meinen eigenen Katzen Leon und Christa erlebt.
Oder eine Katze sieht durchs Fenster eine Artgenossin im Garten, möchte sie gerne vertreiben, kann aber nicht zu ihr und richtet die aufgestaute Wut gegen die Mitbewohnerin, die zufällig vorbeikommt. Diese Entwicklung kenne ich von Kundenkatzen. Auch hier muss man von einem Schockerlebnis ausgehen, zumindest bei dem „Prügelknaben“.
Erlernte emotionale Reaktionen
Es gibt unzählige Ursachen – und oft genug hat man sie gar nicht miterlebt –, die zu einem plötzlichen Bruch der Beziehung führen können. Dahinter steckt ein eigentlich einfaches Lernphänomen, die Konditionierte Emotionale Reaktion (CER). Und die Tatsache, dass alle Lebewesen schlechte Erfahrungen vermeiden wollen und (auch voreilig) einen "Schuldigen" suchen – die Grundlage auch von menschlichem Aberglauben. Die Katzen verknüpfen das traumatische Ereignis mit der Artgenossin, ob sie „Schuld“ hat oder nicht. Und weil sich das Erlebte so stark von den früheren Erwartungen an sie unterscheidet, sitzt der Schock oft tief und wird nicht so schnell vergessen.
Expertentipp 1: Ein Schockerlebnis kann sich wieder legen, wenn die Katzen zur Ruhe kommen, bevor sie sich wieder begegnen. Oft reichen ein paar Stunden in getrennten Zimmern und ein anschließendes Zusammenkommen in einer positiven Situation, z.B. mit leckerem Futter, um die Beziehung wieder zu kitten.
Massiv gestörte Beziehung
Bei einem heftigen Schock oder wiederholten Angriffen kommt es aber nicht selten zum Posttraumatischen Stresssyndrom (PTSD). Darunter können nicht nur Menschen leiden, sondern auch Wild- und Haustiere, wie eine wissenschaftlichen Studie ergab. Bei Katzen ist dieses Phänomen auch als umgerichtete Aggression bekannt, die aber nur einen der möglichen Hintergründe beschreibt.
Das Posttraumatische Stresssyndrom bei der Katze ist gekennzeichnet durch:
- plötzliche Angriffe gegen eine frühere Freundin oder Mitbewohnerin, die
- schnell zu festen Rollen als "Angreiferkatze" und "Opferkatze" führen,
- da sie ausgesprochen heftig sind und
- immer wieder auftreten, sobald die "Feindin" ins Blickfeld kommt
- in Mobbing ausarten können;
- Furcht der "Opferkatze", die
- sich versteckt
- bestimmte Räume oder Zonen von Haus oder Wohnung meidet
- und dadurch immer mehr "Rechte" verliert, diese Zonen zu betreten.
- Beide Katzen reagieren also meist schon agonistisch auf den Anblick der anderen, d.h. eine mit Auflauern und Angriff, die andere mit Vermeiden und Flucht, spätestens aber, wenn sie dieses "unfreundliche" Verhalten der anderen erkennen.
Leider treten dann oft unangenehme Folgen auf, wie Harnmarkieren, „Unsauberkeit“ (die „Opferkatze“ traut sich nicht mehr aufs Klo), Depression und andere Stressreaktionen incl. Erkrankungen z.B. von Niere, Magen/Darm, Haut etc.
Und je häufiger sich die Katzen "bekriegen", desto stärker setzt sich bei beiden die Erkenntnis fest, dass die andere eine "Feindin" ist. Es wird auch für die menschliche Bezugsperson immer schwieriger, die alte gute Beziehung wiederherzustellen.
Deshalb ist es wichtig, früh genug zu reagieren! Denn die Beiden machen das nicht unter sich aus, wie oft behauptet wird, jedenfalls nicht in unserem, einem friedlichen Sinn.
Expertentipp 2: Kommt es immer wieder zu Reibereien, kann nach der Trennung (siehe Tipp 1) ein Neustart durch ein Gitter helfen, z.B. in einem Türrahmen. Eine Gittertür verhindert Angriffe und erlaubt positive Erfahrungen, die Beziehung verbessert sich.
Denkbar schlechte Chancen auf ein friedliches Zusammenleben gibt es allerdings bei einer Katze, die
- noch mit keiner Artgenossin ausgekommen ist
- charakterlich absolut nicht mit der Mitkatze zusammenpasst (v.a. Aktivität und Selbstsicherheit gegenüber Katzen)
- sich nicht gut mit der anderen verträgt, wenig Platz vorhanden ist und beide lange allein sind.
In diesen Fällen empfehle ich meistens, eine Katze abzugeben. Dadurch erspart man allen Beteiligten enormen Stress und Beschwerden. Denn auch die beste Therapie hilft nicht, wenn beide Parteien partout nicht zueinander passen und Drohen, Mobben, Jagen, Verstecken etc. überhand nehmen.
Lassen Sie sich unterstützen
Für den Zweifelsfall gibt es allerdings Katzenverhaltensberater und -therapeuten, die weiterhelfen. Experten kennen geeignete Methoden, wie man die Meinung der Katze über die andere, oder die Meinungen beider, positiv beeinflussen kann. Und sie kennen sich mit dem Ausdrucksverhalten von Katzen aus und wissen, wann man wie reagieren muss; hier entscheidet oft eine einzige Sekunde über Erfolg oder Misserfolg. Mit ihrer Hilfe steigen die Chancen auf gute Beziehungen oder eine Verbesserung enorm.
Nach einer genauen Analyse der Persönlichkeiten und Beziehungen wird ein geeigneter Trainingsplan aufgestellt, durch den die Katzen wieder zusammenfinden und das frühere Vertrauen wieder aufgebaut wird. Die menschlichen Bezugspersonen führen natürlich die Trainingseinheiten durch, sie haben den besten Zugang zu den Katzen – und besitzen ihr Vertrauen. Aber ein Profi begleitet am besten die Wieder-Zusammenführung. Bei einem engmaschigen Austausch und unterstützt durch Videoclips können die Trainingsschritte immer wieder an Verhalten und Emotionen der Katzen angepasst werden, die sich im Laufe der Zeit verändern.