Katzen verknüpfen Wörter schnell mit Objekten
Unsere Stubentiger verstehen uns besser als allgemein angenommen wird. Wie Kleinkinder scheinen sie die Bedeutungen von Wörtern zu lernen, indem sie uns einfach zuhören – ganz ohne spezielles Training mit Belohnung, und sogar schneller als Kleinkinder, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie enthüllte. Wir sollten also aufpassen, was wir in ihrer Gegenwart sagen, denn sie hören zu.
Dass Katzen clever sind, ist nicht neu, zumindest für Katzenfreunde. Sie können u.a. ihre Namen lernen und auch die ihrer (kätzischen) Mitbewohner sowie die Stimme ihrer menschlichen Bezugspersonen von Fremden unterscheiden, wie bisherige Untersuchungen zeigten. Saho Takagi, die an der Enthüllung einige dieser spannenden Ergebnisse beteiligt war, äußert sich selbst überrascht. Sie sagt, dies bedeutet, dass Katzen uns nicht nur zuhören, sondern in der Lage sind, Wörter ohne spezielles Training, das mit Belohnungen verbunden ist, zu verstehen. Sie fragte sich, ob die Fellnasen grundsätzlich fähig sind, menschliche Sprache zu begreifen.
Experiment 1
Um diese Frage zu beantworten, führten Takagi und ihr Team mit 31 erwachsenen Katzen ähnliche Tests durch, wie sie in den 1990-er Jahren für Kleinkinder entwickelt wurden. Sie setzten jede Katze vor ein Laptop und zeigten ihnen zwei kurze animierte Cartoons. In einem ersten Experiment hörten die Katzen dabei Aufzeichnungen von Wörtern ihrer Pfleger. Dies waren ein größer und kleiner werdendes, blau-weißes Einhorn und das Wort "keraru", sowie eine rotgesichtige Sonne, die sich ebenfalls vergrößerte und wieder schrumpfte, zusammen mit dem Wort "parumo". Die Katzen sahen und hörten zu, bis sie sich gelangweilt zeigten, d.h. nur noch halb so lange hinschauten wie am Anfang der Filmchen.
Die bewegten Cartoons lenkten im Gegensatz zu einfachen Bildern die Aufmerksamkeit der Katzen länger auf den Bildschirm. Und die unsinnigen Wörter stellten sicher, dass die Katzen tatsächlich neue Verknüpfungen herstellen konnten. Immerhin ist es möglich, dass ihnen ein Einhorn samt dieser Vokabel durch das Zusammenleben mit einem Einhorn-begeisterten Kind schon bekannt war, sie also vorgebildet waren. Und dass sie den Begriff Sonne schon in anderem Zusammenhang von Menschen gelernt hatten und in Verbindung mit der Cartoon-Sonne verwirrt reagiert hätten.
Der Test
Nach einer Pause durften sich die Katzen die Cartoons noch viermal anschauen, aber mit einem entscheidenden Unterschied: in zwei der vier Durchgängen wurde das Einhorn zusammen mit parumo und die Sonne mit keraru abgespielt, Bild und Wort waren also vertauscht. Dabei schauten die Katzen bei den falschen Zuordnungen deutlich länger auf den Bildschirm als bei den "richtigen" Kombinationen. Dies deuteten die Wissenschaftlerinnen als Zeichen dafür, dass sie Assoziationen zwischen den Originalwörtern und Objekten hergestellt, also einen Zusammenhang erlernt hatten.
Experiment 2
Ein zweites Experiment war dem ersten sehr ähnlich, nur wurden zeitgleich mit den Cartoons elektronische Geräusche statt Wörter abgespielt. Dadurch wollten die AutorInnen herausfinden, ob der soziale Bezug, also die Wörter, für die Katze wichtig waren. Tatsächlich gewöhnten die Katzen sich zwar im Laufe des Experiments an die "Aufführung", wie in Experiment 1, d.h. sie wendeten sich vom Monitor ab. Aber beim anschließenden Test mit Tausch zwischen Geräusch und Cartoon zeigten sie sich nicht so irritiert wie bei der Kombination mit Wörtern.
Vergleiche und Schlussfolgerungen
Erstaunlich war, dass die Mehrheit der Katzen nach nur zwei Durchgängen mit neun Sekunden Dauer eine Verknüpfungen zwischen Bild und Wort hergestellt hatten. Die meisten Babies im Alter von 14 Monaten brauchten in sehr ähnlichen Experimenten vier Durchgänge mit 20 Sekunden Dauer.
Ein direkter Vergleich mit Hunden ist durch diese Studie nicht möglich. Dass Hunde sehr viele unserer verbalen Ausdrücke verstehen, weiß jeder Hundefreund. Bemerkenswert war die Border Collie Hündin Chaser, die 1022 Begriffe ihren Spielsachen zuordnen konnte. Allerdings erlernen die meisten Hunde solche Kombinationen mit interessanten oder sogar beliebten Objekten und Ereignissen, v.a. Lob, und vielen Wiederholungen über Wochen oder Monate. In der aktuellen Katzenstudie wurde weder Lob, noch ein interessantes Spiel oder Leckerchen geboten, und nur das Kurzzeitgedächtnis getestet. Wie lange die Katzen sich diese Wort-Bild-Kombinationen merken, ist absolut unklar. Die Katzenforschung steckt (auch) mit diesen Themen noch in den Kinderschuhen.
Entscheidend ist aber, dass Katzen – wie Kleinkinder – in der Lage sind, die Bedeutungen von Wörtern zu erlernen, ohne dass sie explizit und mit Belohnungen trainiert werden. Sie hören uns also im täglichen Leben sehr gut zu und versuchen uns zu verstehen – mehr als uns klar ist, versichert Takagi. Man nennt dies auch latentes Lernen, also Verbindungen zwischen Ereignissen herzustellen oder Worten und Objekten/Subjekten, auch wenn sie keine direkte Bedeutung für den Lernenden haben. Dass die Katze trotzdem etwas gelernt hat, ist schwer nachzuweisen, weil sie i.d.R. erst dann reagiert, wenn später ein Ereignis tatsächlich für sie wichtig wird. Die Methodik der aktuellen Studie bietet eine elegante Möglichkeit zu erkennen, ob der Lernende etwas eigentlich Uninteressantes verstanden hat, indem während der Lernphase die Aufmerksamkeit nachlässt und bei falsch kombinierter Präsentation deutlich zunimmt. Unklar ist allerdings auch, ob die Fähigkeit, Objekten Wörter zuzuordnen, auch z.B. Wildkatzen besitzen, ob sie während der Haustierwerdung entstanden ist, oder ob jede Katze dies im Zusammenleben mit Menschen lernt. Wie jede gute Studie wirft auch diese mehr Fragen auf als sie beantwortet. Es bleibt spannend.
Quelle:
Takagi, S., H Koyasu, M. Nagasawa & T. Kikusui (2024): Rapid formation of picture-word association in cats. – Scientific Reports, 14: 23091, https://doi.org/10.1038/s41598-024-74006-2