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Früh entwöhnt und verhaltensauffällig

Eine zu frühe Entwöhnung hinterlässt Spuren, erkennbar an auffälligen Verhaltensweisen, die sich bis ins hohe Alter halten können. Ethologen fanden jetzt heraus, dass dies auch für Katzen gilt, die im Alter von 12 Wochen von ihrer Mutter getrennt wurden.

junge Katze

Junge Falbkatzen, die Ahnen unserer Hauskatzen, verlassen Heim und Mutter, wenn sie etwa neun Monate alt sind. Hauskatzen müssen selten von ihrem Jagderfolg leben und haben es in manch anderer Hinsicht leichter als die Wildkatzen. Und sie sind vergleichsweise frühreif. Aber in welchem Alter kann man sie tatsächlich guten Gewissens abgeben? Ab wann sind Umzug und Trennung keine traumatischen Erlebnisse mehr, die sie lebenslang stressanfällig machen?

Vor Ende des zweiten Lebensmonats

Kitten, die vor Ende der achten Lebenswoche „abgenabelt“ werden, trifft es besonders hart: Sie entwickeln mit erschreckender Sicherheit Verhaltensauffälligkeiten und -störungen, z.B. nuckeln sie oft und lange an Decken oder ihren neuen Mitbewohnern. Dieses persistierende Saugverhalten kann sich zu Pica auswachsen, dem Kauen und Fressen von Stoffen oder Plastik, mit Ausprägungen zwischen liebenswert und gesundheitsgefährdend. Oder zu stereotypem Putzen bis auf die nackte Haut. Sehr viele von ihnen fallen durch andere chronische Stressreaktionen auf, sind oft ängstlich, kommen schlecht mit Veränderungen klar und verhalten sich gegenüber Artgenossen und auch Menschen aggressiv. Dass sie schlechter lernen als später entwöhnte Katzen, macht sich dagegen noch harmlos aus.

Mit zwei bis drei Monatenjunge Katze liegt auf der Seite

Mit acht Wochen gilt die Entwöhnung als abgeschlossen, weil die Kätzchen feste Nahrung fressen und ihre Mutter sie nur noch selten säugt. Dies ist für manche Menschen ein Argument, sie zügig in ein neues Heim abzugeben. Katzenexperten ist dies viel zu früh, denn mit acht Wochen ist die wichtige Phase der Sozialisation noch nicht abgeschlossen. In den folgenden Wochen verbessert die junge Katze durch intensiven Umgang mit ihren Artgenossen ihre sozialen Fähigkeiten und legt in einem guten Umfeld das Fundament für eine ausgeglichene Persönlichkeit. Daher schien bisher ein Alter von 12 Wochen als akzeptabel, um ein neues Heim zu erobern.

Ab dem vierten Monat

junge Katze liegt im Bett

Finnische Verhaltensforscher um Milla K. Ahola haben nun untersucht, ob der Zeitpunkt der Entwöhnung bzw. Trennung von Mutter und Geschwistern ihr späteres Verhalten beeinflusst. Sie befragten die Halter von mehr als 5700 Katzen zum Übernahmealter ihrer Zöglinge und ob sie sich ängstlich oder aggressiv verhalten oder an Stoffen, meist Wolle, saugen. Ihre Ergebnisse bestätigen die bisher bekannten Nachteile einer „Kindesentführung“ in den ersten drei Lebensmonaten, gehen aber noch weiter. Von den Katzen, die bei einem Wechsel ihres Wirkungskreises 14 Wochen oder älter waren – oder gar nicht von ihrer Familie getrennt wurden –, neigen noch weniger zu auffälligem Verhalten als ihre früher entwöhnten Artgenossen, speziell zu Aggression gegenüber fremden Menschen und übermäßigem Putzverhalten. Ein „Abnabeln“ mit frühestens 14 Wochen hat also große Vorteile gegenüber den bisher bevorzugten 12 Wochen. Und am meisten profitieren Katzen, die erst als Erwachsene oder gar nicht ausziehen müssen – aber nur, wenn auch die Mutter gut sozialisiert ist und alle Parteien friedlich zusammenleben.

Ursache für auffälliges Verhalten

Bei anderen Säugetieren wurde schon nachgewiesen, dass sich eine frühe Entwöhnung vor der 9. Lebenswoche negativ auf die Entwicklung des Gehirns auswirkt bis hin zu Fehlfunktionen, die sich auch durch eine spätere vorbildliche Haltung nicht beheben lassen. Letztendlich bietet die Mutter nicht nur wichtige Nahrung, sondern vermittelt Sicherheit; manche Katzen findet man noch im Alter von 6-9 Monaten gelegentlich am Gesäuge der Mutter. Außerdem ist sie ein ideales Vorbild und erzieht ihren Nachwuchs auf katzenverständliche Weise, ebenso wie die Geschwister. Übrigens sind auch gut sozialisierte Katzenmütter keine Helikoptermütter; wenn die Kleinen zu sehr nerven, zieht sie sich zurück, und man hat ja auch noch viele "Katzendinge" zu erledigen. Aber sie ist da und bietet immer wieder Geborgenheit.

Die drastischen Folgen einer frühen Entwöhnung sind verständlich, wenn man bedenkt, dass ein Kitten mit 8 Wochen auf einem ähnlichen Entwicklungsstand steht wie ein 3-jähriges Menschenkind, mit 12 Wochen entspricht es einem 5-jährigen und mit 16 Wochen einem 7–8-jährigen. Züchter können ihre Interessenten also gerne fragen, in welchem Alter sie ihre Kinder ins Internat geben würden.

Die Autoren betonen, dass sie durch ihre kurze Umfrage nur einen Zusammenhang zwischen Entwöhnungsalter und Verhaltensauffälligkeiten aufdecken konnten, nicht die Ursache. Diese könne schließlich im auch im Verantwortungsbewusstsein der neuen Halter liegen. Es ist immerhin möglich, dass verantwortungsvolle Halter ihre neuen Katzen bewusst länger bei ihrer Mutter lassen und ihnen zusätzlich ein vorbildliches Heim und freundlichen Umgang bieten, während unbedarfte Halter sehr junge Kitten bevorzugen und sie dann „irgendwie“ großziehen; beides wirkt sich auf die Wahrscheinlichkeit aus, mit der die Katzen verhaltensauffällig werden. Milla K. Ahola plant deshalb mit ihren Kollegen eine ausführlichere Umfrage, die auch Haltungsbedingungen und Umgang beinhaltet, um den Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten auf die Spur zu kommen. Außerdem wollen sie erforschen, ob das ideale Abgabealter rasseabhängig ist, also ob es unter den Katzenrassen „frühreife“ und „Spätentwickler“ gibt.

Empfehlungen

Trotzdem ist es sicherlich vorteilhaft, wenn junge Katzen 14-16 Wochen bei der gut sozialisierten Mutter und auch ihren Geschwistern und weiteren umgänglichen Gruppenmitgliedern bleiben, dazu raten auch Ahola und ihre Kollegen. Die fürsorgliche Erziehung kommt nicht nur Artgenossen zugute, sondern auch den Menschen – und vor allem dem langfristigen Wohlbefinden der jungen Katzen selbst.

Diese Empfehlung gilt allerdings für Kitten aus dem Tierschutz nur eingeschränkt, v.a. für Waisen. Eine frühere Abgabe ist wohl angebracht, wenn die neuen Halter ihnen bessere Bedingungen und mehr Zuwendung bieten können als das Tierheim. Dazu zählen auch vorhandene Artgenossen, die den Neuzugang jedoch unbedingt freundlich aufnehmen müssen!

Quelle:

Ahola, M.K., K. Vapalahti & H. Lohi (2017): Early weaning increases aggression and stereotypic behaviour in cats. – Scientific Reports, 7: 10412, DOI:10.1038/s41598-017-11173-5.

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